Auf der einen Seite sehe ich die Menschen, die der Ansicht sind, sie könnten unsere dreifache Krise durch die verstärkte Anwendung unserer gegenwärtigen Verfahren in den Griff bekommen. Ich nenne sie die Leute der kopflosen Flucht nach vorn. Auf der anderen Seite sind diejenigen, die nach einer neuen Lebensweise suchen, die zu bestimmten Grundwahrheiten über den Menschen und seine Welt zurückzukehren trachten. Sie nenne ich Heimkehrer.
[...] Denn es bedarf großen Mutes, um den Moden und Bezauberungen der Zeit gegenüber „nein“ zu sagen und die Voraussetzungen einer Kultur infrage zu stellen, der es bestimmt scheint, die ganze Welt zu erobern. Die dazu erforderliche Kraft lässt sich nur aus tiefen Überzeugungen herleiten. Käme sie aus nichts anderem als der Furcht vor der Zukunft, würde sie wahrscheinlich im entscheidenden Augenblick schwinden. Der wahre „Heimkehrer“ kennt nicht die besten Melodien, aber er hat den kostbarsten Text, nichts Geringeres als die Evangelien. Für ihn könnte es keine knappere Zusammenfassung seiner Lage, unserer Lage geben als das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Es ist seltsam, aber die Bergpredigt gibt recht genaue Anweisungen darüber, wie eine Sichtweise beschaffen sein muss, die zu einer Wirtschaft des Überlebens führen könnte:
− Wie selig sind diejenigen, die wissen, dass sie arm sind; das Himmelreich ist ihr.
− Wie selig sind, die da Leid tragen; sie sollen getröstet werden.
− Wie selig sind die Sanftmütigen; sie werden das Erdreich besitzen.
− Wie selig sind, die da hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; sie sollen satt werden.
− Wie selig sind die Friedfertigen; sie werden Gottes Kinder heißen
Es mag kühn erscheinen, diese Seligpreisungen mit Dingen der Technologie und der Wirtschaft zu verbinden. Aber ist es nicht möglich, dass wir gerade deswegen in Schwierigkeiten sind, weil wir diese Verbindung so lange nicht hergestellt haben? Es ist nicht schwer zu erkennen, was diese Seligpreisungen für uns heute bedeuten können:
− Wir sind arm, und wir sind keine Halbgötter.
− Wir haben viel Leid zu tragen und sind nicht auf dem Weg in ein goldenes Zeitalter.
− Wir brauchen Sanftmut, einen gewaltlosen Geist, und klein ist schön.
− Wir müssen uns für die Gerechtigkeit einsetzen und dem Recht zum Sieg verhelfen.
− Und all das, nur das, kann aus uns Friedfertige machen.
[…] Ich zweifle nicht daran, dass es möglich ist, der technologischen Entwicklung eine neue Richtung zu geben, eine Richtung, die sie zurück zu den wirklichen Bedürfnissen des Menschen führen soll, das bedeutet aber auch: zum eigentlichen Menschenmaß. Der Mensch ist klein, und daher ist klein schön. Wer auf Riesenhaftigkeit setzt, der setzt auf Selbstzerstörung. Wie hoch ist der Preis einer Neuorientierung? Es sei darauf hingewiesen, dass es pervers ist, die Kosten des Überlebens zu kalkulieren. Zweifellos ist für alles, was sich lohnt, ein Preis zu zahlen: Um die Technologie in eine neue Richtung zu lenken, sodass sie dem Menschen dient, statt ihn zu zerstören, muss man in erster Linie seine Vorstellungskraft anstrengen und frei von Furcht sein.
Auszug aus "Small is beautiful", Oekom Verlag, ISBN 978-396238136